Pressekonferenz von SKIMO Austria 19.12.2023 – Der Skitourensport überwindet ein Zwischentief

Am 19.12.2023 fand im gewohnten Rahmen beim Autohaus SONNLEITNER in Salzburg die jährliche Pressekonferenz von SKIMO Austria zum Thema Skitourensport statt. Die Einschätzungen von Experten aus allen Bereichen des Skitourensports stießen vor vollem Haus auf großes Interesse. Der betrachtete Bereich für alle Experten waren Sell-In Zahlen aus dem vorigen Winter 2022/23, der durch schlechte Schneelage und Nachwehen der Pandemie durchaus als sportlicher Problemwinter gesehen werden kann. Dennoch wurde bei den Vorträgen klar, dass es sich wohl nur um ein Zwischentief in der sonst positiven Entwicklung handelt und dass die Zukunft für das Skibergsteigen rosig sein wird.

Die Pressekonferenz – dieses Mal übrigens Live in ORF Sport+ übertragen – gliederte sich in drei Blöcke mit unterschiedlichen Themen.

Karl Posch

Die Einleitung übernahm Karl Posch, der Betreiber von SKIMO Austria mit einem Update zur Demografie der Tourengeher. Demnach gibt es in Österreich über 700.000 Tourengeher mit einem steigenden Frauenanteil von im Schnitt ca. 40% und sinkendem Durchschnittsalter. Der Sport bewegt sich in Richtung Masse, ist durch bessere Verfügbarkeit guter Produkte in der Breite angekommen. Der letzte schwierige Winter brachte jedoch einen Dämpfer für die Entwicklung, wie Posch erläutert:

„Durch den Mangel an Schnee war das Tourengehen im Gelände nur bedingt möglich. Mit Maschinenschnee war der Alpine Skilauf jedoch bei guten Bedingungen ungebremst möglich. Deshalb sind manche, die während der Pandemiejahre auf Tourenski umgestiegen waren, zumindest zeitweise wieder zum Pistenskilauf zurückgekehrt.“

Jedenfalls scheint der Höchststand an aktiven Tourengehern vorerst überschritten zu sein.

Themenblock 1 Wirtschaft

Die Experten im Themenblock 1 „Zahlen, Daten und Fakten des Skitourensports“ gingen detailliert auf die Fakten des vergangenen Wintersund auf die Zukunftsaussichten der Sportart Skibergsteigen ein.

vlnr: Dr. Michael Schineis, Christian Hofstetter, Irina Andorfer

Irina Andorfer, DYNAFIT Sales Managerin für D/A/CH und Sprecherin der Outdoor Group des Verbands der Sportartikelerzeuger und Sportartikelhändler Österreichs (VSSÖ), präsentierte Verkaufs- und Umsatzzahlen im Outdoorbereich, speziell aufgeschlüsselt auf den Bereich Skitouren. Demnach wurde international mit 340.000 Paar Tourenski, 325.000 Paar Tourenskischuhen und 320.000 Tourenbindungen der Zenit der Verkäufe überschritten, das Niveau aber noch fast gehalten. Der schneearme Winter in Europa und eine schwierige Übersee-Marktsituation in den USA mit einem deutlichen Minus warfen Schatten auf die Tatsache, dass alle Produktionsrückstände der letzten beiden Jahre aufgeholt werden konnten.

Das Resultat der Gesamtsituation, nämlich übervolle Lager und weniger Absatz, war auch im Österreichischen Markt massiv zu spüren. Hierzulande schrumpfte das Volumen von Outdoor-Textilien um 2,5% auf 290 Mio. €, machte dabei etwa 48% des um etwa 3,4 % geschrumpften Outdoormarktes von 595 Mio. € aus. Der Outdoormarkt ist und bleibt mit etwa 25% des gesamten Sporthandelsumsatzes eine wichtige Größe. Bei der Hartware verlor man gar ganze 7% vom Umsatz, allerdings ist das relativ zu sehen, denn noch immer ist der Markt etwa 21% über dem Vor-Corona-Niveau. Der Anteil der verkauften 52.000 Paar Tourenski an der Gesamtmenge der Ski am Markt ist von 28% auf 13% gesunken, ein untrügliches Zeichen, dass der Tourensport im Vergleich zum Alpinskilauf verloren hat. Mit 57.000 Paar Tourenskischuhen und 45.000 Tourenbindungen bestätigte sich der insgesamte Rückgang. Parallel stiegen die Verkaufspreise aber deutlich an, bei Tourenskischuhen um satte 21%.

Dennoch sieht Andorfer aus Herstellersicht bei der Marktentwicklung im Skitourensport keineswegs schwarz:

„Wir müssen berücksichtigen, dass wir zwei Saisonen lang massive Umsatzzuwächse hatten und das Minus des letzten Winters gesondert betrachtet werden muss. Der Skitourenmarkt ist in der Breite angekommen, und das Wachstum wird sich mittelfristig auf einem guten Vor-Corona Niveau bei 5% jährlich einpendeln. Damit werden wir wieder im Trend sein, denn das Skibergsteigen gewinnt an Attraktivität – die Sportart passt optimal zur fitnessorientierten und naturverbundenen Entwicklung der Gesellschaft.   

Der Präsident des Verbands der Sportartikelerzeuger und Sportartikelhändler Österreichs (VSSÖ) und Präsident der Amer-Gruppe Dr. Michael Schineis warf ein Licht auf die Gesamtsituation am Wintersportmarkt. Nach Jahren mit niedrigen Zahlen der weltweiten Skiproduktion hat man im Winter 2022/23 mit 3.672.962 verkauften Paar Ski, davon mit 396.001 Paar ca. 10% am Österreichischen Markt, wieder Vor-Corona-Niveau erreicht. Die Österreichische Skiindustrie, die rund 50% der weltweit verkauften Skier produziert, freut das. Der geschrumpfte Markt bei Tourenskiern wird dabei nur zeitlich begrenzt sein, zudem weist Schineis darauf hin, dass in der Gesamtbetrachtung des Outdoormarktes inklusive Textil und Zubehör die Situation keineswegs schlecht ist. Und während im vergangenen Winter der Tourenskimarkt nach unten ging, lässt die aktuelle Entwicklung erahnen, dass das Tief überwunden ist. Die Zukunft scheint gut zu sein:

„Der Tourensport ebenso wie der gesamte Skisport entwickeln sich seit vielen Jahren stabil. Natürlich war der Schneemangel im letzten Winter problematisch, aber jedes Problem kann auch als Chance verstanden werden. Hersteller und Handel sind flexibel genug, angepasst an den Markt zu reagieren. Es keinen Grund, an einer gesunden Zukunft des Skisports und natürlich auch des Tourensports zu zweifeln.“

Christian Hofstetter, Ein- und Verkaufsleiter bei BERGZEIT, einem der größten Outdoor-Onlinehändler in Europa, beleuchtete schließlich die Situation des Handels. Hier schrumpfte der Umsatz im vergangenen Winter gar um 15%, überproportional bei LVS-Ausrüstungen und Einsteigersets, beides dem Schneemangel geschuldet. Prozentual hat dabei der Onlinehandel mehr verloren als der stationäre Handel, allerdings gilt auch im Handel, dass 2 Jahre zuvor ein massives Wachstum von mind. 30% zu verzeichnen war, die Verluste also verkraftbar waren. Ein Problem sind allerdings die vollen Lager in Kombination mit großen Preissteigerungen. Mittelfristig ist die Aussicht trotzdem positiv:

„Die Preissteigerung im gesamten Outdoorbereich samt Textil war mit 8% relativ hoch und die Lagersituation entspannt sich nur sehr langsam. Es ist auch zu befürchten, dass die gerade rollende Pleitewelle in der Branche noch andauern wird. Die Handelslandschaft wird sich in den kommenden Jahren nachhaltig verändern, aber auch wieder auf ein gesundes Wachstum einpendeln.“

Abschließend gaben die Experten noch eine Aussicht in die Zukunft. Demnach wird Nachhaltigkeit eine zunehmend große Rolle spielen, hybride Nutzung von Ausrüstung ist vor allem im stark wachsenden Jugendsegment wichtig. Die Eroberung des erschlossenen Skiraums durch die Tourengeher ist ein Motor für die laufende Entwicklung von der Nische in die Breite, von der Randerscheinung zur Wertschöpfung.

Themenblock 2: Entwicklung Skibergsteigen

Im 2. Themenblock: „Skibergsteigen am Vorabend der Olympischen Spiele 2026 – Quo Vadis?“ wurde die aktuelle und mögliche zukünftige Entwicklung der Sportart beleuchtet. Experten aus verschiedenen Bereichen gaben ihre Einschätzungen ab. Spannend sind diese vor dem Hintergrund der Aufnahme der Sportart in das Olympische Programm 2026 und einer damit verbundenen Spezialisierung des Spitzensports auf Kurzstreckenevents, während parallel der Breitensport stark wächst und das persönliche Naturerlebnis als Megatrend Fahrt aufnimmt.

vlnr: Mario Siedler, Annette Hanssum, Thomas Pitzer, Jakob Herrmann

Für Industrie und Handel sprach Annette Hanssum von der Bekleidungsmarke MALOJA. Die schnell wachsende Trendmarke stattet im Spitzensport das Deutsche Nationalteam Skibergsteigen aus und veranstaltet divergent dazu mit dem „Soul of the Mountains“ jährlich eine Breitensportveranstaltung mit über 500 Teilnehmern.

„Wir decken im Skitourenbereich alle Spielarten ab. Ob bei der Nationalmannschaft im Weltcup oder bei unserem Teambewerb für Jedermann in Ruhpolding, für uns ist die Emotion und das Erlebnis das Wichtigste.“

Repräsentativ für die Seilbahnwirtschaft sprach Thomas Pitzer, technischer Leiter der Planai-Hochwurzen Bergbahnen und selbst begeisterter Tourengeher. In den 5 Skigebieten der Region Schladming-Dachstein ist das Tourengehen mittlerweile integraler Bestandteil des Angebots, zudem richtet Schladming im März 2024 bereits zum insgesamt 4. Mal einen ISMF Skibergsteiger-Weltcup aus, in Folge zum 2. Mal auf der Planai:

„Im Vergleich zum Alpinskilauf ist der Tourensport bei uns noch ein kleiner Bereich. Dennoch ist er wichtig und zukunftsträchtig, wir haben deshalb bei allen unseren Skigebieten bereits eigene Aufstiegsrouten etabliert, für die eine Benützungsgebühr eingehoben wird.“

Die Tourismuswirtschaft vertrat der Geschäftsführer des Tourismusverbandes Obertauern, Mario Siedler. Durch die Lage und zentrale Erreichbarkeit ist Obertauern ein Hotspot des Tourenskisports, Obertauern hat einen zukuftsorientierten und entspannten Zugang zur Entwicklung:

„Obertauern ist sehr beliebt bei Tourengehern, und wir freuen uns, dass sich die allermeisten an Basisregeln halten. Zukünftig sehen wir den Skitourengeher als fixen Bestandteil des Winterangebots. Wir werden zumindest auch für diesen Winter noch keine Gebühren bei den Tourengehern einheben.“

vlnr Jakob Herrmann, Helena Euringer

Aus der Sicht des Sportlers betrachtete Jakob Herrmann, Profisportler aus Werfenweng, die Entwicklung. Der amtierende und x-fache Meister im Skibergsteigen hat unzählige Wettkämpfe im In- und Ausland bestritten und alpine Klassiker wie die Adamello Ski Raid in Italien und das Altitoy-Rennen in Frankreich gewonnen. Sein Bergsteiger-Herz schlägt für den alpinen Tourenskisport, den er auch als den roten Faden durch alle Entwicklungen sieht.

„Für mich persönlich ist das Skibergsteigen eine emotionale Sache, ich bin sehr gerne mit langen Touren auf den Bergen und genieße die Zeit dort. Meiner Meinung nach ist das alpine Erlebnis die Hauptsache. Wettkämpfe auf der Kurzstrecke sind notwendig für Olympia 2026 und nicht ganz meine Sache. Aber ich freue mich darauf, die Österreicher in 3 Jahren anfeuern zu dürfen.“

Olympia zum Greifen nahe hat die erst 17-jährige Helena Euringer aus Schneizlreuth, Sportlerin des Deutschen DAV Nationalkaders Skibergsteigen. Sie ist nach Top Ergebnissen in den Jugendklassen ganz vorne im Nachwuchskader gereiht. Und sollte die Leistungskurve weiterhin steigen, ist der Start bei Olympia 2026 in Mailand/Cortina in Italien ein realistisches Ziel.

„Die kurzen Strecken im olympischen Programm liegen mir, auch wenn ich privat sehr gerne im freien Gelände auf meinen Heimatbergen unterwegs bin. Olympia ist sicherlich das höchste Ziel jedes Sportlers und ich hoffe, in 3 Jahren dabei sein zu dürfen. Aber bis dahin heißt es noch fleißig trainieren.“

Themenblock 3: SKIMO Alpencup 2024 und European SKIMO Tour

SKIMO Austria steht auch für die Organisation und Vermarktung von Renne im Skibergsteigen. Klassisch wird auch im kommenden Winter wieder der SKIMO Alpencup abgehalten, bestehend aus 2 Events mit 4 Wettkampftagen.

vlnr: Beatrice Soyter, Thomas Wallner, Gabi Schieder Moderegger, Hannes Laner, Roland Kurz

Die „Erztrophy“ in Werfenweng am 26. und 27.1.2024 eröffnet den Alpencup 2024. Im 20. Jubiläumsjahr werden ein Vertical- und ein Individualrennen abgehalten, zweiteres unter anderem als Österreichische Staatsmeisterschaft. Die Pläne für den Ablauf des Pongauer Klassikers erläuterten die OK-Mitglieder Hannes Laner und Thomas Wallner:

„Wir freuen uns, mit der Tourismusregion Werfenweng und neuem Sponsor KARPOS ins 20. Jahr unserer Veranstaltung gehen zu dürfen. Neben dem Verticalrennen ist uns traditionell ein gutes Individualrennen wichtig, das wir am Bischling perfekt umsetzen können. Neu wird heuer sein, dass die Wahl der 3 Streckenlängen jedem Teilnehmer freisteht. Wir wenden uns mit dieser Neuerung an alle Amateur-Rennläufer, die im Ziel eine spezielle Finisher-Medaille erwartet.“

Die 2. Station des SKIMO Alpencups 2024 ist der legendäre „Jennerstier“ in Berchtesgaden am 17. und 18.2.2024. Neben dem Vertical und dem berüchtigten Individualrennen durch den Spinnergraben, die beide als offene Rennen für jedermann geführt werden, fungiert der Jennerstier 2024 auch als Austragungsort für einen ISMF-Jugendweltcup. Zusätzlich werden auch eine Dreierstaffel und ein Kinderrennen organisiert. Eine Besonderheit ist der erste Bewerb für 17 – 25jährige Studenten im Rahmen des Verticals nach der kürzlich erfolgten Anerkennung der Sportart Skibergsteigen durch den internationalen Hochschulsportverband FISU. Die OK Mitglieder Gabi Schieder-Moderegger und Beatrice Soyter freuen sich auf die Durchführung:

„Der Jenner ist ab diesem Winter als Tourenskigebiet ausgewiesen, was für unsere Veranstaltung perfekt passt. Als Sektion des Deutschen Alpenvereins sind wir Berchtesgadener auch besonders dem Nachwuchs verpflichtet, weshalb der Jugendweltcup ein richtiges Highlight ist.“

Als Neuerung wurde abschließend schließlich die Idee der „European SKIMO Tour EST“ präsentiert. Nach einem intensiven Dialog zwischen etablierten europäischen Rennveranstaltern im vergangenen Frühling soll diese lose Vereinigung mit gemeinsamer Punktewertung eine Ergänzung zur aktuellen Entwicklung des Welt- und Europacups bieten. Denn während sich in diesen Rennserien das Streben nach Olympia durch die Abhaltung von Sprints und gemischten Staffeln abbildet, wollen die Anbieter in der European SKIMO Tour bewusst auf Vertical- und Individualrennen setzen und damit den klassischen Skibergsteiger ansprechen. Für das Debüt-Jahr 2024 sind 4 kapitale Veranstaltungen Teil der Tour: neben den beiden Rennen des SKIMO Alpencups sind dies das größte Österreichische Skibergsteiger-Rennen, die „Mountain Attack“ in Saalbach am 19.1.2024 und das italienische Rennen „Sellaronda“ am 22.3.2024. Die Intention hinter der Idee und die Zielsetzung erklärte Roland Kurz, OK-Chef der Mountain Attack:

„Unsere großen und starken Rennen mit viel Tradition haben über 92 Veranstaltungsjahre immense Erfahrung bei der Abwicklung von Veranstaltungen in den Kerndisziplinen sammeln können. Die Verbindung zu einer gemeinsamen europaweiten Tour für Jedermann mit Vertical- und Individualrennen soll den Geist des traditionellen Skibergsteigens aktiv halten, auch wenn wir den zukünftigen Olympiasiegern auf Kurzstrecken zujubeln werden. Eine Erweiterung auch außerhalb des deutschsprachigen Gebiets ist ab 2025 geplant.“

Die mit großem Interesse zuhörenden Medienschaffenden hatte zum Abschluss der Pressekonferenz noch Gelegenheit, Einzelgespräche mit den Fachleuten vor Ort zu führen.

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