Toni Palzer: vom Skibergsteigen in den Radsport
Ein „Howedere mitanonda!“, ein spitzbübisches Grinsen und ein lockerer Spruch – so kennen wir Toni Palzer. Gestern hat der 27-jährige Toni, einer der weltbesten Skibergsteiger, seinen Rücktritt nach der kommenden Saison bekannt gegeben.

Er wird mit Frühjahr 2021 das sportliche Lager wechseln und wird Radsportler. Eine Entscheidung, die über die letzten Monate gereift ist. Nach der anstehenden Winter-Saison als Skibergsteiger wird er ab April 2021 für das Team BORA– hansgrohe in der UCI World Tour an den Start gehen. Die erste Info zu diesen News kam gestern über Toni selber und in Form einer offiziellen Presseaussendung, die wir für euch online gestellt haben. Hier der Link dazu.
Den „Donei“ kennt man einfach in der Szene und darüber hinaus – und er wird ihr fehlen: nicht nur wegen seiner Erfolge, sondern auch wegen seiner Persönlichkeit. Wenngleich wir den Ramsauer Ausnahmeathleten nun noch eine Wintersaison mitbegleiten dürfen, so möchten wir trotzdem die gestrige Rücktrittsankündigung als Anlass nehmen, die vergangenen Jahre etwas Revue passieren zu lassen, mit Erinnerungen von einigen Wegbegleitern und Geschichten zu seinen Anfangsjahren als Skibergsteiger. Mit einer Bildergalerie von 2010 bis 2020 🙂
Berge als Spielplatz für den kleinen Donei…

Einer, der neben seinen Eltern „Schuld“ daran ist, dass Toni schon früh mit dem Bergsport begonnen hat, ist der Watzmann. In seinem Heimatort Ramsau im Berchtesgadener Land ist das Watzmann Massiv zum Greifen nah, die Berge direkt vor der Haustüre sind von klein auf Tonis Spielplatz. Unterstützt durch seine Eltern – Vater Wolfgang ist Bergführer und startete selbst früher bei manchen Rennen – war er schon als Kind immer in den Bergen unterwegs, relativ bald mit der Einstellung, diese möglichst schnell erklimmen zu wollen. Mit dem schönen Nebeneffekt, Spaß an der Bewegung zu haben und in einer schönen Landschaft unterwegs zu sein, fand er so den Weg zum Skibergsteigen.
WM Pelvoux (FRA) 2013. Foto Werbegams.
Als Cadet zum Deutschen Meister…

Dass dies eine gute Entscheidung war, bestätigte sich dem 16-jährigen Toni, als er mit einer Sondergenehmigung bei der Deutschen Meisterschaft Jennerstier 2010 auf der langen Strecke starten durfte und als Cadet die Tagesbestzeit mit einem Vorsprung von fast drei Minuten auf seine Verfolger hinlegte. Die Aussage im Siegerinterview: „Es is oafoch guat gonga.“ Hier gehts zum Video von damals.
Toni Palzer läuft Bestzeit bei der DM Jennerstier 2010. Foto M. Keller.
Der damalige DAV-Delegierte für den Jennerstier und Verantwortliche für den Spitzensport im DAV, Matthias Keller, erinnert sich:
„Ich musste damals bei einer Hauptversammlung der ISMF eine auf den Deckel einkassieren, es könne doch nicht sein, dass ein 16-jähriger bei den Herren gewinne. Aber der Toni war einfach so motiviert und ich fand es auch großartig, dass er immer wieder betonte, er trainiere ja eh die gleichen Umfänge und er wolle sich deshalb auch mit den Erwachsenen messen. Auch weil es sonst einfach keine Konkurrenz für ihn gab. Und das war echt genial, als der kleine Bursche damals einfach das Rennen gewinnt.“
Seit inzwischen 11 Jahren (!) ist Toni ein fester Bestandteil der DAV Weltcup Mannschaft und Siegesanwärter seit Beginn. Erfolge wie der doppelte Vizeweltmeistertitel (Vertical 2015, Sprint 2017), Zweit- (2019) und Drittplatzierter (2016) im Gesamtweltcup und Sieger im Vertical Gesamtweltcup (2018) bestätigen auszugsweise, dass Toni zu den besten Allroundern der Szene gehört.
Allroundtalent führt zum Erfolg…

Auch dem damaligen österreichischen Nationalteamtrainer Alexander Lugger ist der junge Toni Palzer relativ bald aufgefallen, erst als guter Skifahrer, dann auch schnell mal mit seiner Leistung im Aufstieg. Denn damals war das Individual noch die Königsdisziplin und die Strecken alpinistisch anspruchsvoll, als der junge Toni in die Szene einstieg:
„Sportlich betrachtet ist Toni auf jeden Fall ein Ausnahmetalent. Gerade früher hat es wenig junge richtig gute Skifahrer gegeben. Manche sind erst später so gegen 20 Jahre mit Routine und Erfahrung gut geworden, aber so ein junger Bub, der derart gut auf Skiern in Gelände steht, das hab ich eigentlich zuvor und auch danach nie mehr gesehen. Da war für mich klar, dass der das Zeug hat, ganz vorne mitzumischen, denn damals bist du nur an die Weltspitze gekommen, wenn du wirklich ein guter Skifahrer gewesen bist.“
Für Alex Lugger war Toni Palzer immer ein Ausnahmetalent. Foto: S. Binder.
Dabei betont Toni Palzer, dass für ihn nicht Siege das wichtigste seinen, sondern die Gewissheit, das Beste gegeben zu haben. Mit dieser Einstellung geht er auch in jedes Rennen, ohne Fokussierung auf gewisse Bewerbe sondern jedes Rennen zählt gleich, um unnötigen Druck zu vermeiden. So gesehen zählen für ihn Erfolge im Gesamtweltcup viel mehr als bei einzelnen Veranstaltungen, wo nur genau an einem Tag alles abrufbar sein muss.
„Auf und Ab’s“ machen stärker…
Toni Palzer hat zwar von Anfang an extrem früh auf einem sehr hohen Niveau Erfolg gehabt, jedoch die Bodenhaftung nie verloren. Auch mit dem Wissen, dass sportliche Erfolge vergänglich sein können und nicht immer mit der Brechstange erzwungen werden können. Das musste er vor allem 2016/17 miterleben. Gesundheitliche Probleme – er entging in diesem Jahr ganz knapp einer Herzmuskelentzündung – warfen den damals 24-jährigen noch zu Saisonanfang zurück. Mit Rang 3 beim Individual Race der Weltmeisterschaft kam er aber dann sehr emotional unter Tränen zurück, für ihn einer der wohl größten Erfolge, hinter Damiano Lenzi und Kilian Jornet. Beim SKIMO Jausenbankerl hat er die damals schwierige und durchwachsene Saison ungewöhnlich ernst analysiert. Hier der Link dazu.
Er sagt jedoch selber, dass ihn genau diese Erfahrungen verändert haben, stärker gemacht haben und gelehrt haben, mit Niederlagen umzugehen und noch härter an sich zu arbeiten, um zeigen zu können: „Der kloane Bua aus der Ramsau, der hot echt wos drauf!“
Große Worte von Kilian Jorent…

Und dass der Bua aus dem Berchtesgadener Land was drauf hat, bestätigt uns auch der Spanier Kilian Jornet, einer der größten Skibergsteiger der internationalen Szene, der bereits früh die Stärke seines deutschen Konkurrenten gesehen hat.
„First time I saw Toni in a competition I was amazed of how a junior could go so fast, from a very young age he was a very complete athlete, crazy strong, very good on technique and a great downhiller. We could see in the last years of junior that he was ready not only to compete in the senior category but to seek for podiums. And from his first race in absolute he was there, battling with the best. He is a very talented athlete. In the uphill, not many have his phisical capacity, and he’s developped over the years a exquisite technique and is a great downhiller, so when he’s on his best shape, is very hard to beat him.“
Große Worte von Kilian Jornet, einem der besten Bergläufer und Skibergsteiger – und oft standen beide gemeinsam am Siegerpodest.
Oft gemeinsam am Podest: Toni und Kilian. Foto: W. Seebacher.
Toni Palzer steht für das Skibergsteigen in Deutschland…
Seit er 21 Jahre alt ist, kann Toni vom Sport leben. Ein großer Schritt war damals 2013 der Einstieg in die Bundeswehr und da Skibergsteigen keine olympische Sportart ist, war das zu diesem Zeitpunkt alles andere als selbstverständlich.
Für den DAV aus Verbandssicht ist Toni seit jeher ein sehr wertvolles Mitglied. Nicht nur wegen seiner Erfolge, sondern auch wegen seiner Persönlichkeit, was uns Matthias Keller bestätigt:
„Toni war für den DAV zur richtigen Zeit an den richtigen Orten mit dem DAV Logo auf der Brust erfolgreich unterwegs, um den Sport im DAV richtig promoten zu können. Es hat dem Skibergsteigen sehr geholfen, Nachwuchsleute wie Toni zu haben, die international erfolgreich sind. Damit ist letztendlich das Budget im DAV aufgestockt worden und Sponsoring-Summen konnten erhöht werden. Toni hat daher garantiert viel dazu beigetragen, dass sich das Skibergsteigen in Deutschland und auch im DAV zu dem entwickelt hat, was es heute ist.“
Matthias Keller ist sieht Toni dabei weiter sogar als die Personifizierung des Skibergsteigen in Deutschland. Wenn man seiner Meinung nach in Deutschland den Begriff Skibergsteigen nennt, dann fällt mit Sicherheit auch der Namen Toni Palzer. Er hat das Skibergsteigen in einem bestmöglichen Rahmen gepusht und hat es einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Und dafür muss man auch aus Sicht des DAV sehr dankbar sein.
Genau gleich sieht es Hermann Gruber, der Sportliche Koordinator der Wettkampfsparte Skibergsteigen im DAV, die der Wechsel in den Radsport natürlich stark trifft. Ein Verlust, den es ab nächster Saison zu kompensieren gilt. So schlagen in Hermann Grubers Brust zwei Herzen:
„Wir sind Toni sehr dankbar für die Zeit im SkimoTeamGermany. Er war jahrelang eine prägende Figur und hat viel für die Entwicklung der Sportart geleistet. Wer weiß, wo das Skibergsteigen in Deutschland ohne ihn heute wäre… Das SkimoTeamGermany wird mit ihm eine Identifikationsfigur verlieren, menschlich sowie sportlich. Ein Verlust, den es so gut wie möglich ab nächster Saison zu kompensieren gilt. In den letzten zwei, drei Jahren haben wir aber bereits begonnen, uns weg von einzelnen Athleten im Weltcupteam, hin zum gesamten SkimoTeamGermany zu konzentrieren. Die eingeschlagene Richtung war bisher recht gut und diesen Weg müssen wir nun noch intensiver forcieren, um das Team in den nächsten Jahren Zunehmens als Ganzes stärken zu können. Kurzfristig kann natürlich keiner in Tonis Fußstapfen treten. Ich bin der Meinung, dass jeder im Team seine eigenen Schuhe trägt und seine eigenen Schritte machen muss, um selbst und im Team erfolgreich sein zu können und das wird auch in den nächsten Jahren der Fall sein, dessen sind wir uns sicher!
Persönlich wünsche ich ihm das Allerbeste auf seinem neuen Weg. Es ist eine einmalige Chance für ihn als Quereinsteiger vom Bergsport in den Radsport einzusteigen, was es so noch nicht gegeben hat. Das freut mich persönlich wahnsinnig für ihn. Toni war nun 12 Jahre im Weltcup Team des SkimoTeamGermany, der Wechsel in den Radsport ist nun ein weiterer Schritt auf seiner Karriereleiter.“

Noch steht aber eine gemeinsame Saison bevor und das SkimoTeamGermany rund um Hermann Gruber freut sich auf die nächsten Monate und hofft, dass sich Toni noch einmal alle seine Wünsche bei den internationalen Events in der Sportart Skibergsteigen erfüllen kann, im Weltcup sowie einer hoffentlich stattfindenden WM in Andorra.
Hermann Gruber und Richard Lenz mit Toni beim Weltcup Jennerstier. Foto: M. Torri.
Sein Berg der Watzmann…
Nun aber noch mal zurück zum Watzmann. Von Kindesbeinen an sein Spielplatz, hat sich Toni Palzer im Watzmann Massiv auch relativ bald mit persönlichen Bestleistungen an Rekorde herangetastet. Als gerade mal 19-jähriger setzte er 2012 mit 03:27 Stunden seine erste Zeitmarke für die Watzmann-Überschreitung. 2015 überbot er seine eigene Bestleistung um rund 17 Minuten, um diese 2018 mit nur 03:06:55 Stunden aus einer Trainingsrunde heraus erneut zu verbessern. Die „U-3-Stunden“ Marke auf der 23 km langen Strecke mit rund 2.300 Höhenmeter und Kletterpassagen im zweiten Schwierigkeitsgrad schien langsam in greifbarer Nähe. Juni 2020 war es soweit. Nachdem nur wenige Tage vorher Tonis bisherige Rekordzeit aus dem Jahr 2018 unterboten wurde, pulverisierte er die Zeit der Konkurrenz (3:01 Stunden) im Handumdrehen und schaffte die Runde in 02:47:08 Stunden, 14 Minuten schneller als die nur wenige Tage bestehende Rekordzeit und holte den Rekord damit wieder zurück zu ihm in die Ramsau, denn:
„Der Watzmann ist schon irgendwie mein Berg.“
Diese Aktion bestätigt auch die Meinung von Matthias Keller, zu Tonis alpinistischem Talent:
„Er ist nicht einer, der nur im Rennanzug schnell trainiert. Er ist auch ein echter Bergsteiger. Er hat Bergsteiger-Gene und es ist ihm auch immer schon ein Anliegen gewesen, technisch anspruchsvolle und alpinistische Sachen zu machen.“
Die alpinistische Leistung bei dieser Watzmann Überschreitung auf Zeit zeigt auch das Video von Philipp Reiter. Hier der Link dazu.
Die Sprüche sitzen locker…

International fällt Toni Palzer aber nicht nur durch seine Erfolge auf, sondern zusätzlich durch seine lockeren Sprüche. Das bestätigt auch Alex Lugger. Der ganze Weltcup Zirkus war seiner Ansicht nach zum damaligen Zeitpunkt, als Toni Palzer in die Szene einstieg, oft eher ernst gestimmt. Toni hat seiner Meinung nach jedoch wesentlich dazu beigetragen, dass der Schäh rennt. Und hat auch Nationen miteinander verbunden und untereinander zum Reden gebracht, wenn er am Podium steht (und standardmäßig stets einen Juchiza los lässt):
„Der Toni hat sogar die Franzosen zum Lachen gebracht!“
Weltcup Albosaggia 2016 (ITA). Foto W. Seebacher.
So sieht es auch Matthias Keller, der Toni Palzer als Sportler super fokussiert charakterisiert, der sich aber als Mensch selbst nicht zu ernst nimmt, seinen guten Grundhumor stets bewahrt hat und trotz der Erfolge nie abgehoben ist:
„Es wird einem nie langweilig mit Toni. Du kannst davon ausgehen, wenn du mit ihm wo hingefahren bist, hat er immer Sprüche rausgehauen, er ist immer der Garant für gute Stimmung. Zusammengefasst: Toni ist eine coole Socke!“
Auch Hermann Gruber sieht in Toni Palzer einen Gewinn für jedes zukünftige Team:
„Ich bin davon überzeugt, dass er mit seiner professionellen Einstellung, herzlichen Art und vor allem seinem Leistungsvermögen für jede Sportart ein Gewinn ist und so natürlich auch für den Radsport.“
Und aus diesem Grund möchten wir euch zum Abschluss noch auszugsweise ein paar Links zu Kurzvideos auf seiner Facebook Seite geben, die einfach „typisch Toni“ sind:
- https://fb.watch/2cHXCoynUc/
- https://fb.watch/2cIlRIkWDN/
- https://fb.watch/2cIn2o5i6B/
- https://fb.watch/2cIqTHgQ6t/
Auf eine weitere gemeinsame Saison!

Noch bleibt uns der „Donei“ aber ein bisschen erhalten und wir freuen uns auf diese letzte gemeinsame Saison mit ihm, in der wir die Erfolge mit ihm feiern werden und wieder über seine Schmähs lachen werden, bevor er den nächsten großen Schritt in seiner Spitzensportkarriere wagt und in den Rennradsport wechselt. Vorerst wünschen wir ihm aber noch eine erfolgreiche und gute Saison im Skibergsteigen.
SKIMO PK 2020. Foto R. Hold.