Die elektronische Bindung – QWICKLANE bringt Innovation mit Perspektive

Zum Ende dieses in vieler Hinsicht lauwarmen Winters haben wir die Gelegenheit erhalten, was spannendes zu testen. Das bayrische Startup QWICKLANE startete am 8.3.2024 mit dem Verkauf der elektrischen Skitourenbindung QWICKLANE Easy. Wir haben uns angeschaut, was dahinter steht.

E-Tourenski in der Aufstiegsspur? Oder doch mehr?

Zugegeben, die Aussage, dass es eine Bindung zu testen gilt, die eine elektrisch verstellbare Steighilfe hat, ist auf differenziertes Interesse in unserer Redaktion gestoßen. Sollte es denn nun in Richtung E-Tourenski gehen? Und außerdem, das ist doch was für die Rubrik „Dinge, die die Welt nicht braucht“? Und dazu: ein bayrisches Startup will in den Tourenskimarkt, der zwar wächst, aber von etablierten Marken beherrscht und aktuell auch sehr umkämpft ist. Naja, aber vor dem Urteil sollte man sichs ja doch genauer anschauen, also los, auf zum Schnee mit Domi aus dem Entwicklerteam.

qwicklane test dominik riediger bild skimo austria karl posch
Dominik Riediger

Deutscher Erfinder- und Geschäftsgeist

Mit Johannes Sellmaier und Lukas Ernst und haben sich vor einigen Jahren zwei junge skitourenbegeisterte Techniker aus Bayern mit einer altbekannten Problematik beim Tourengehen auseinandergesetzt. Im steileren und schwierigen Gelände ist die Steighilfe umzustellen mit einem guten Maß an Akrobatik und Selbstvertrauen verbunden. Nach einer gemeinsamen Skitour hatte man sich beim Bier überlegt, wie man das verbessern könnte. Die theoretische Lösung war schnell  formuliert: eine Tourenbindung, bei der die Steighilfe mit Fernbedienung elektrisch verstellt werden kann. Vor 3 Jahren ergänzte mit Dominik Riediger als BWLer der Dritte im Bunde das bisherige Team aus Maschinenbauer und Informatiker und es ging an die Umsetzung der Idee.

Umsetzung mit Hirn

Zwischen Theorie und Praxis ist of ein nicht unbedeutender Spalt. Die drei Bayern erkannten das auch recht schnell, wussten sich aber zu helfen. Mit 2 jeweils 1-jährigen Gründer-Stipendien vom Staat konnten sie in der Entwicklung weitgehend finanziell sorgenfrei agieren und das Produkt technisch reifen. Eine weise Entscheidung zu Beginn der Entwicklung war wegweisend: Marktführer DYNAFIT wurde ins Boot geholt. Die Aschheimer Bindungsschmiede war von der Idee der drei Erfinder angetan, und im Rahmen einer rasch beschlossenen Entwicklungspartnerschaft kamen sowohl Bauteile der Radical Bindung zum Einsatz und wurde auch die Tür des DYNAFIT Labors geöffnet um alle erdenklichen und nötigen Prüfungen fundiert und gewissenhaft durchzuführen. Nicht zuletzt verspricht diese Entwicklungspartnerschaft auch einen Marketingvorsprung und einen Direkt-Eintritt in höhere Sphären der Branche, wenngleich auch der Vertrieb in der Hand der Entwickler bleibt.

Nun ist es soweit: mit 8.3.2024 ist die QWICKLANE Bindung im Vorverkauf um EUR 799,– zu bestellen und wird zu Weihnachten 2024 dann ausgeliefert.

Die technischen Daten

Bei der QWICKLANE Bindung handelt es sich streng genommen nur um einen Hinterbacken mit elektronischem Gehirn. Der Vorderbacken ist ein handelsüblicher DYNAFIT Radical Backen mit untergelegtem 5 mm Spacer, die Daten sind entsprechend bekannt.

Der neu entwickelte Hinterbacken ist als Schienensystem konstruiert, Erinnerungen an die legendäre RAMER-Bindung kommen unweigerlich hoch. In die Schiene mit standardisiertem DYNAFIT-Bohrbild ist der Bindungskörper aus glasfaserverstärktem POM fix verschraubt, ein abnehmbarer Akku wird auf jeder Seite benötigt. Dieser spezielle Tieftemperatur-Akku ermöglicht mindestens 120 Verstellvorgänge pro Ladung und ist bis -20°C ohne Leistungsverlust zu nutzen.

qwicklane test montage in schiene bild skimo austria karl posch
Der Bindungskörper mit Akku-Anschluss

Der standardmäßig verbaute Stopper ist von DYNAFIT und wird mit dem Bindungskörper verschraubt. Eine Z-Wert Verstellung von 5 – 10 ist verbaut, für die Einstellung der vertikalen Auslösung stehen zwei unterschiedliche Federgabeln Z6 und Z8 zur Verfügung. Das Gewicht wird bis zum Lieferstart unter 500 Gramm pro Seite (inkl. Vorderbacken) sinken und ist damit in der gleichen Gewichtsklasse wie die komplette DYNAFIT Radical-Bindung, die 520 Gramm auf die Waage bringt. Der Hinterbacken ist – ohne Verstellplatte – etwa 20 mm in der Länge verstellbar.
Die elektrische Einstellung der Steighilfe erfolgt mit einer einfachen Fernbedingung mit je einem Plus und Minus-Knopf über Bluetooth. Die Fernbedienung ist dabei bestenfalls am Skistock montiert.

Praktischer Test

Nach einer kurzen Erklärung von Dominik „Domi“ Riediger mit dem Einsetzen der Akkus und der automatischen Kalibrierung ging es überraschend einfach und unkompliziert zum Praxistest auf Schnee.

qwicklane test einsetzen akku bild skimo austria karl posch
Das Einsetzen des Akkus funktioniert denkbar einfach durch Einrasten

Aus der anfänglichen Skepsis wurde schon nach wenigen Metern Vertrauen, denn das Ding wirkt robust und funktioniert verlässlich. Es stehen 3 Höhen der Steighilfe zur Verfügung, die über die Fernbedienung angewählt werden. Einfach, aber genial. Die Handhabung ist zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig, wenn auch intuitiv. Die unkomplizierte Verstellung während des Gehens (die Bindung stellt sich um, wenn sie nicht belastet ist, also während der Vorwärtsbewegung des Skis) verführt aber rasch dazu, die Steighilfe viel, viel öfter zur Optimierung des Anstiegs zu verwenden, als das mit herkömmlichen Steighilfen der Fall wäre. Im seitlich hängenden Gelände ist – wie bei allen Pinbindungen – eine Seitwärtsbewegung des Schuhs mit Wirkung auf den Hinterbacken zu bemerken. Die Position wird aber praktisch in Echtzeit immer kontrolliert und der Hinterbacken wenn nötig immer wieder in die optimale Stellung gebracht. Trotz absichtlichen Bemühens konnten wir keinen Fehler der Bindung produzieren, unser Exemplar funktionierte anstandslos. Ach und übrigens: auch ohne Akku funktioniert die Bindung, die Umstellung der Steighilfen kann auch ganz klassisch händisch erfolgen.

Für die Umstellung auf Abfahrt muss man aus dem Ski aussteigen. Wie gewohnt von vielen Pinbindungen wird der Hinterbacken mit leichtem Anheben dann in die Abfahrtsposition gedreht. Für die Abfahrt ist die Elektronik ausgeschaltet und wird kein Strom benötigt.

qwicklane test umstellen auf abfahrt bild skimo austria karl posch
Das Umstellen auf Abfahrt erfolgt händisch, der Stopper ist dabei auszulösen wie von der DYNAFIT Radical gewohnt

Apropos Strom: die Akkus sind überraschend klein und leicht, werden mittels Ladegerät an einer USB Buchse geladen. In der Praxis also auch möglich mit einer Powerbank direkt auf der Tour.

Wenngleich Domi auch von manchen Kleinigkeiten gesprochen hat, die bis zum Verkaufsstart im Dezember 2024 noch verbessert werden, die von uns getestete Bindung funktionierte in Aufstieg und Abfahrt verlässlich und hinterließ ein sicheres Gefühl.

So funktioniert’s

Die Bedenken

Bei einem Materialtest sucht man natürlich die Schwachstellen, eh klar. Nachdem die Sorge um ein stranden am Berg ohne Akku durch die universelle Nutzbarkeit auch ohne Akku gleich zerstreut wurde, gingen die Gedanken in eine essentielle Richtung. Es ist bekannt, dass Mobiltelefone und sogar Alufolien die mitgeführten LVS Geräte der Wintersportler empfindlich stören können. Auch wenn sicher erst die Verwendung „im Feld“ Gewissheit schaffen kann, so ist doch das ganze System – also auch die BT Fernbedienung einer erfolgreichen EMV (Elektromagnetische Verträglichkeit) unterzogen und keine Auswirkung auf die LVS Frequenz 457 kHz festgestellt worden.

Die Zukunftsaussichten

Die aktuelle Zielsetzung der Entwickler ist es natürlich, bis zu Weihnachten 2024 eine tip-top funktionierende Bindung liefern zu können. Wie schon erwähnt, weit scheint das Ziel nicht mehr entfernt zu sein. Seit Jänner 2024 sind übrigens auch schon Tester auf Tour, die die Bindung mit der alltäglichen Belastung beaufschlagen, die vielleicht im Labor nicht erzeugt werden kann.

Über dieses Stadium hinaus gibt es aber durchaus vielfältige Pläne in den Gehirnen der Entwickler, ist doch die erstmalige erfolgreiche Verbauung von Elektronik in einer Skibindung ein völlig neuer Schritt. Es wird sich weisen, was daraus noch entstehen kann. Das Potential ist jedenfalls da. Das hat auch die ISPO erkannt, die dem Produkt den „ISPO Brandnew Award“ verliehen hat.

Fazit

Auch wenn man seine Steighilfe im normalen Tourenleben eigentlich nicht verwendet, ist die Umsetzung der QWICKLANE Idee dazu angetan, diese Gewohnheit zu ändern. Die Einfachheit und Robustheit der Konstruktion beeindruckt. Der Komfort ist tatsächlich enorm, und speziell weniger geübte Tourengeher werden das Feature schnell schätzen lernen.

Hier geht es zur Webseite des Herstellers.

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