Recap-Kommentar zum Weltcup in China

Unser rasender Reporter in China, Anderl Hartmann aus Reichenhall, hat wahrlich Ahnung von Randsportarten. Als Profi-Mountainbiker in der Marathon Szene war er lange Jahre rund um die Welt unterwegs, kann viele Geschichten erzählen. Nach seinem Einsatz beim ISMF Weltcup in China, von wo er uns mit Infos und Bildern versorgt hat, ist auf der Heimfahrt ein interessanter Kommentar mit Aussensicht entstanden, den wir hier gerne abdrucken.

Was war?

Anderl Hartmann, geplagt von der chinesischen Kälte
Anderl Hartmann, geplagt von der chinesischen Kälte

Die letzte Schlacht beim ersten Weltcup in China ist geschlagen! Für den Weltcup-Zirkus war es ein Abenteuer und eine Reise ins Unbekannte. Für den Sport und die ISMF ein wichtiges, politisches Signal an das IOC um eine mögliche Aufnahme in das olympische Programm bei den Spielen in Peking 2022.

In Peking gelandet und sofort die Feststellung, dass die Temperaturen zwar niedrig sind, das weiße Gold und der beste Freund des Skibergsteigers aber weit und breit nicht zu sehen ist. Vier Stunden Busfahrt – mit Ausblicken auf die Chinesische Mauer kulturell durchaus wertvoll, Schnee aber weiterhin Fehlanzeige. Als der Busfahrer, dessen bester Freund bestimmt nicht das Gaspedal war, in das Tal zum Wanlong Skiresort einbiegt, gehen alle Blicke auf das perfekte, weiße Kleid, das Schneekanonen „Made in Austria“ auf die sanften Hügel gezaubert haben. Weil man in China wahrscheinlich keine Bilder wie in den Alpen möchte, wo in schneearmen Wintern eine braungrüne Landschaft von weißen Flecken und einer Zunge aus Kunstschnee geziert wird, beschneit der Chinese auch die Wälder außerhalb der Pisten – der Winterzauber ist perfekt!

Aus sportlicher Sicht verzichtet die Grande Dame des Skibergsteigens Laetitia Roux (FRA) aufgrund der Kälte auf einen Start im Vertical und gewinnt am nächsten Tag souverän das Sprint-Rennen. Eine Französin stand dann aber im Vertical trotzdem auf dem Podium: Axelle Molaret gewinnt mit einem satten Vorsprung von 25 Sekunden. Bei den Herren meldet sich im Vertical die Ramsauer Rakete Toni Palzer eindrucksvoll zurück und im Sprint ist es der Italiener Nicolo‘ Ernesto Canclini, der unter extremen Bedingungen einen chaotischen Sprintbewerb gewinnt.

Was bleibt?

Der erste interkontinentale ISMF Weltcup und der Beweis, dass ein solcher Weltcup auch ohne Naturschnee auskommt. Die Königsdisziplin des Skibergsteigens, ein Individualrennen im Stile der Alpen aber ist aufgrund von Topografie und Schneelage nur schwer vorstellbar. Welches Format bei Olympischen Spielen ausgetragen werden sollte ist weiterhin unklar. Ob es ein Format gibt, welches bei einer derartigen Schneelage und Topografie die romantische Vorstellung des klassischen Skibergsteigens erfüllen kann, auch das bleibt im gesamten Olympia-Kontext vorerst offen.

Für große Diskussion unter den Athleten, Trainern und den Verantwortlichen der ISMF hat das Sprint-Rennen am Samstag gesorgt: War es am Tag des Verticals bereits bitter kalt und im Ziel am höchsten Punkt des Skigebiets deutlich unter -20°C, so war der Morgen des Sprint-Rennens nochmal spürbar kälter und von starkem Wind geprägt. -23 Grad zum geplanten Zeitpunkt des Starts! In Kombination mit 30km/h Wind ergäbe dies übrigens eine gefühlte Temperatur von frostigen -39°C!

Der Großteil der Athleten war sich einig, bei diesen Bedingungen und damit verbundenen Risiken für die Gesundheit, nicht laufen zu wollen. Etwas anderer Meinung war allerdings die ISMF:

„Wir sind zum ersten Mal hier in China und versuchen, den Wettkampf über die Bühne zu bringen. Ich denke und hoffe nicht, dass das Rennen gesundheitliche Folgen für die Athleten haben wird.“

So Roberto Cavallo, General-Sekretär der ISMF.

Ein moralisches Dilemma für den Weltverband? Verständlicherweise soll dieser Weltcup die Internationalität der Sportart unterstrichen und als klares Signal in Richtung IOC und Peking 2022 gesendet werden. Auf der anderen Seite aber muss ein Dachverband wie die ISMF in der Lage sein, sportliche Professionalität zu beweisen und die Sicherheit der Athleten als oberste Priorität ansehen.

Eine klare Regelung zu extremen Temperaturen und Witterungsbedingungen, wie es die FIS beispielsweise in ihren Regularien verankert hat, hätte ein derartiges Dilemma verhindern können.

Auch wenn Olympia in Bezug auf die Entwicklung des Sports ein sehr wichtiges Thema im Skibergsteigen darstellt, so dürfen politische Interessen niemals die Gesundheit und Sicherheit der Athleten übersteigen – ohne gesunde Athleten keine Spiele!
Anderl Hartmann

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