Erfahrungsbericht mit neuer Bindung: Marker Alpinist
Anfang Jänner war SKIMO Austria zu einem speziellen Event der Bindung „ Marker Alpinist “ eingeladen. Im vollkommen eingeschneiten Cormayeur in Italien hatte der Deutsch/Schweizer Traditions-Hersteller zu einer recht geheimnisvollen Präsentation eingeladen. Wir wussten nur: eine Pinbindung wird’s sein, das konnte man aus den Unterlagen herauslesen.
Basics
Mit der Präsentation der MARKER Kingpin im Herbst 2014 hatten die Schweizer schon gezeigt, dass das Know How für funktionsfähige, stabile Pinbindungen bei Marker vorhanden ist. Der Trend zu Pinbindungen ist in den letzten Jahren ungebremst weitergegangen, etwa 90% der Verkäufe am Markt werden nur mehr über solche Systeme umgesetzt. Die Problematik der fehlenden Auslösedefinition ist dabei Dauerbrenner, denn mit wenigen Ausnahmen sind Pinbindungen nicht für leichte Personen oder gar den Verleih geeignet.
Eine zweijährige Entwicklungszeit hat sich Marker für die Alpinist gegönnt…bekannt ist ja, dass die Firma nur ausgegorene Produkte auf den Markt gibt. Mit der Marker Alpinist wird nun versucht, ab der Wintersaison 2018/19 im boomenden Markt besser Fuß zu fassen.
Das Prinzip
Gespannt waren wir im Aosta-Tal wie die Flitzbogen, als uns das Wunderwerkl am Beamer präsentiert wurde. Es stellte sich schließlich als überraschend kompakt heraus, nur 245 Gramm (ohne Stopper, mit wiegt sie 335 Gramm) leicht und mit einigen recht coolen Features. Auffällig ist gleich, dass die Schweizer offenbar genau gehorcht und geschaut haben, was bei anderen Pinbindungen fehlt. Die Z-Werte sind einzustellen…wow. Und das Anstollen und vereisen gehört wegen Gummilippen der Vergangenheit an. In verschiedenen Farben gibt’s das Teil auch. Und es gibt keinen Abstand mehr zwischen Schuh und Hinterbacken…häh?
Hands on the object…das erste Herantasten an die Marker Alpinist
Im Anschluss an die Beamer-Session durften wir die Bindung genau unter die Lupe nehmen
Die Innovation: der Hinterbacken
Bei der nachfolgenden Präsentation durch die Techniker von Marker hat sich gezeigt, dass die Innovation massiv im Hinterbacken steckt. Der schaut am ersten Blick nicht viel anders aus als der von vergleichbaren Bindungen, hats aber in sich.
Der gesamte Backen ist auf einer Grundplatte 15 mm längenverstellbar, deckt damit schon drei Schuhnummern ab. Nicht genug damit, es gibt auch noch eine Spezial „Rental“ Version der Bindung, die Sage und Schreibe 35 mm verstellbar ist. Verstellplatten haben da ausgedient.
Sehr neu und speziell ist auch die Tatsache, dass nicht wie üblich der Hinterbacken mit 3 – 4 mm Luft zum Schuh montiert wird, sondern auf Anschlag…ja wirklich. Das geht deswegen, weil der Hinterbacken auf der Grundplatte um 4 mm federgelagert nach hinten beweglich ist. Das federt die Durchbiegung des Skies ab. Wir denken, dass das sogar noch einen positiven Nebeneffekt hat: das Eindringen der Pins hinten in den Schuh ist tiefer als üblich, Probleme durch eine „Negativdurchbiegung“ sollten damit nicht auftreten.
Ein Hammer ist die innovative und umfassende Beschäftigung mit den Z-Werten bei der Marker Alpinist. Es gibt grundsätzlich 2 Varianten mit den Werten 6 – 12 als „Alpinist 12“ und 4 – 9 als „Alpinist 9“ für die seitliche Auslösung. Die wird übrigens sehr robust durch eine messingelagerte Stahlkugel gewährleistet, da spürt man im Detail die Marke. Dazu gibt’s insgesamt drei unterschiedliche U-Bügel, die mit den Bindungen kombiniert werden können. Die Z-Werte für die Verticalauslösung liegen bei ca. 10 – 10,5 (verbaut bei der stärkeren Bindung), bei ca. 7 – 7,5 (verbaut bei der schwächeren Bindung) und ca. 5,5 – 6 als mögliche Variante für sehr leichte Fahrer, also z.B. Jugendliche und Damen.
Ein Stopper ist in der Basisversion der Bindung nicht dabei. Marker hat hier ein modulares System gewählt und den Stopper nicht mit der Bindung verbunden. Im Normalfall ist statt des Stoppers nur ein Kunststoffplättchen montiert, das man selber (!) herausnehmen und Stopper in den Breiten 90, 105 oder 115 mm montieren kann.
Der Vorderbacken
Der Vorderbacken ist an sich nicht so wahnsinnig innovativ, auffällig ist nur, dass alles sehr robust und technisch präzise gebaut ist. Spezielle Kunststoffteile mit Kohlefaseranteil helfen die auftretenden Kräfte trotz dünnen Bauteilen zu verdauen. Einen Anschlag für den Schuh sucht man vergebens, der Einstieg ist aber trotzdem einfach zu bewerkstelligen…die ganze Konstruktion ist dafür optimiert. Die Markierung, die ein Einsteigen noch leichter machen soll – die Vorderkante des Schuhs soll bis dahin geschoben werden – braucht man in der Praxis eigentlich garnicht.
Die Befestigung von Harscheisen ist problemlos möglich, wenn man das entsprechende Montageteil selber (!) reinschraubt. Auch hier gilt wie beim Stopper: regulär ist kein solches Teil montiert, dafür ein leichtes Kunststoffplatterl. Nach der Montage könne alle handelsüblichen Harscheisen verwendet werden.
Zum Vorderbacken der Marker Alpinist passt auch der „Powder Leash“…der Fangriemen. Der ist so konstruiert, dass das Ringerl, mit dem er mit dem Schuh verbunden wird, bei 650 N (entspricht 65 kg Reisslast) bricht und damit bei einem Lawinenunfall nicht als Anker wirkt.
Praxistest der Marker Alpinist Bindung
Am Tag nach der Präsentation hatten wir Gelegenheit, die Bindung auch im Gelände zu testen. Das gelang außerordentlich zufriedenstellend.
Interessant ist, dass das Einsteigen sensationell einfach funktioniert. Wir haben mehrfach und mit unterschiedlichen Schuhen probiert, einen Fehl-Einstieg zu provozieren, und das im Tiefschnee und auf schiefer Ebene. Vergebens! Das ist deswegen so interessant, weil es eigentlich keinen Anschlag an der Bindung für den Schuh gibt, es sich aber aufgrund der Bauart so anfühlt. Sehr angenehm!
Gut ist beim flachen gehen die Möglichkeit des 0° Steigwinkels, der bei Rennbindungen sonst nicht machbar ist. Dazu kann man den 9° Winkel wählen. Am Berg muss man dann – sofern man kein Schlangenmensch ist – halt aus der Bindung raus, um den Hinterbacken in die Abfahrtsposition zu drehen. Beim gehen mit der 5° Steighilfe entfällt das.
Spannend auch, dass alle waagrechten Flächen mit einem Gummi überzogen sind, der den Aufbau von Schnee und Eis verhindern soll. Wir waren unterwegs bei schwerem Neuschnee, eigentlich der Killer für sowas…und es hat funktioniert!
Negativ aufgefallen ist nur eines beim Gehen: wenn sich der Ski beim durchqueren einer Vertiefung durchbiegt und man in der 0° Position geht, spürt man ein leichtes rupfen am Schuh hinten. Das kommt daher, dass der Hinterbacken durch die Federbelastung auf den Schuh drückt. Das ist aber eher das berühmte „Flöhe husten hören“ als ein wirkliches Thema.
Der Preis
Die Marker Alpinist kommt ausgesprochen kostengünstig daher
- Alpinist 9 in zwei Farben (black-tourquoise und black-titanium) mit Z-Wert 4 – 9 kostet EUR 300,– UVP
- Alpinist 12 in zwei Farben (black-red und black-titanium) mit Z-Wert 6 – 12 kostet EUR 320,– UVP
Marker Alpinist Promo-Tour
Die Promotion für die neue Bindung nächsten Winter findet übrigens mit einem sehr speziellen Fahrzeug statt. An unterschiedlichen Hotspots des Skibergsteigens wird dieser restaurierte Feuerwehrbus ab Herbst 2018 auftauchen und es wird Gelegenheit geben, diese zu testen. Das Fahrzeug konnten wir uns in Mailand anschauen….lässiges Gefährt, nette Mechanikerin 😉
Fazit
Marker ist auf den ersten Blick hier ein großer Wurf gelungen. Natürlich wird man einige 100.000 Höhenmeter abwarten müssen, ob nicht noch irgendein Problem auftaucht, das ist eben so bei Skibindungen. Die analytische Herangehensweise an die Probleme bei bestehenden Bindungenhat einiges an Lösungen gebracht. Entstanden ist eine High-Performance-Bindung zum absolut erschwinglichen Preis, die auch noch große Bereiche beim Z-Wert und in der Längenverstellung abdeckt. Auch diverse Kunden als Abnehmer wurden schon fixiert, z.B. K2, Blizzard, Nordica
Die Marker Alpinist sollte damit für den sportlichen Normalgeher ebenso perfekt geeignet sein wie für den Verleih, für den die Bindung einen Meilenstein darstellen kann.
Weiterführende Links:
Hier die Offizielle Webseite der neuen Marker Alpinist Bindung
Hier geht’s zum Bericht der Kollegen von FREIZEITALPIN
Und hier noch ein Video von unserem Praxistest: