Gastkommentar von Jakob Herrmann: Die jüngsten Entwicklungen im Weltcup der Skibergsteiger

Der aktuell beste Österreichische Skibergsteiger, Jakob Herrmann aus Werfenweng, hat seine Gedanken über die aktuellen Entwicklungen im Skitouren-Rennsport zusammengefasst. Wir freuen uns, sie hier veröffentlichen zu können und vielleicht die eine oder andere Diskussion anzustoßen.

Jakob Herrmann 1 Bild Karl Posch SKIMO Austria LR

Leidenschaft oder Leistungssport- muss man sich entscheiden?

Jakob Herrmann 1 Bild Karl Posch SKIMO Austria LR
Jakob Herrmann

Mit 12 Jahren durfte ich mit meinen Eltern die erste Skitour gehen. Es war eine sternenklare, kalte Jännernacht bei Vollmond. Mich haben von Anfang an die Stille, die Bewegung und die grenzenlose Freiheit in der Natur fasziniert. Eine neue Tür eröffnete sich für mich, denn Skifahren war bis dahin schon eine große Leidenschaft von mir. Durch die Tourenski konnte ich nun diese mit dem Ausdauersport verbinden. Gleich kurze Zeit später folgten Skitouren ins Tennengebirge und auf den Hochkönig –alle im Gelände und weit weg von den Pisten. Eine Pistentour wurde damals nur gemacht, wenn wirklich gar nichts im Gelände möglich war.

Mit 19 Jahren startete ich erstmals bei der Mountain Attack auf der Tour Distanz mit 2000 Höhenmetern. Die Vorbereitung dafür war schon etwas anders im Vergleich zu meinen ursprünglichen Skitouren. Mein Freund Willi Trixl, der mich zu diesem Rennen überredet hatte, machte mit mir ein paar Pistentouren zur Vorbereitung. Willi ist ein versierter Alpinist und geht ebenfalls sehr selten auf Pisten, aber für die Vorbereitung eines Rennens braucht man einfach ein paar Höhenmeter schon im November und Dezember. Das Rennen lief dann erstaunlich gut: 17. Platz hinter Elmar Tritscher mit einer Zeit von 2h 07min (heute wird man mit so einer Zeit nicht mal mehr 50er). Mir gefiel es, mich mit hundert anderen Skitourenfanatikern zu messen, dennoch gefiel mir nicht, dass dies auf einer Piste geschah.

So entschloss ich mich, auf Rennen im Gelände zu konzentrieren (Bsp.: Mezzalama, Pierra Menta, Weltcup, etc.), da dies mehr meiner Leidenschaft entsprach. Ein paar Jahre später wurde ich von Karl Posch und Alexander Lugger in das Nationalteam Skibergsteigen aufgenommen und ich fuhr sofort zu extrem coolen Weltcup Rennen mit.

Extrem cool… ja wirklich!

Heute kaum vorzustellen, aber vor 10 Jahren war es noch normal, dass ein Rennen wirklich zu 100% im Gelände stattfand und damit meine ich nicht neben einer Skipiste oder unter einem Lift, sondern wirklich im technischen Gelände in Natur und Freiheit! In den weiteren Jahren wurde dann immer wieder diskutiert, dass man den Sport „zuschauerfreundlicher“ machen sollte. So wurden die 100%igen Geländerennen immer weniger und „pseudo Geländerennen“ in einem Skigebiet neben Skipisten und auf Liftrassen immer mehr.

2011 bei der Weltmeisterschaft lief ich dann meinen ersten Sprint … kurz mit Fellen, kurze Tragepassage, wieder kurz mit Fellen- und dann eine Abfahrt durch Tore … OK, damals hat es Spaß gemacht, es war eine Abwechslung und eine ganz neue Erfahrung! Einige Jahre älter und mit vielen Höhenmetern mehr in den Beinen sehe ich das wesentlich differenzierter (und nicht, weil ich eine „absolute Pfeife“ im Sprint bin und mich nicht mal für die Top 30 qualifiziere)… Fast alle Weltcupstationen sind mittlerweile in einem Skigebiet und es gibt nur noch selten ein technisches, alpines Individualrennen.

Das Tragische an dem Ganzen: Wir haben NICHT mehr Zuschauer gewonnen, wir sind NOCH IMMER NICHT olympisch und mittlerweile verzichten erfolgreiche und namhafte Athleten auf den Weltcup.

Wo geht die Reise also hin?

Am Freitag fliege ich nach China und es erwartet mich ein höchst denkwürdiges Kapitel in unserer Sportart. Es sind nur 5 Europäer (1x Deutschland, 1x Spanien, 3x Österreich) gemeldet, die sich mit Chinesen, Japanern, … im Individual (mit nur 1000 Höhenmetern), Vertical (600 Höhenmeter) und Sprint an den Start stellen.

Die großen Nationen (Italien, Frankreich und Schweiz) verzichten auf einen Start und bereiten sich in Ruhe auf die Weltmeisterschaft vor.

Generell denke ich, dass Rennen international sein sollten. Wenn die Organisation gut ist und sich die Kosten im Rahmen halten, kann dieses auch auf einem anderen Kontinent stattfinden- es ist ja ein Weltcup. Doch zu welchem Preis?

Zusammengefasst habe ich mich für das Skibergsteigen entschieden, weil ich es liebe, meine Zeit in der Natur zu verbringen. Es waren pure Leidenschaft, Freude und die Lust an Herausforderungen mit denen ich früher zu Rennen gefahren bin! Diese Leidenschaft brennt immer noch ungebrochen, deshalb mache ich auch in meiner Freizeit super schöne Skitouren und tue damit das, was mir am besten gefällt. Zu meiner Begeisterung wurde mir nun auch die Möglichkeit geboten, meine Leidenschaft zum Beruf zu machen.

Der Weltcup im Skibergsteigen (ISMF World Cup) ist im Moment einfach nur ein Sport, wie viele andere Sportarten. Wir heben uns mittlerweile von Biathlon, Langlauf, … nicht mehr ab. Was nicht heißen soll, dass ich diese Sportarten schlecht finde, sondern nur, dass wir uns immer mehr zu einer „Stadionsportart“ entwickeln. Das Skibergsteigen, wie ich es als Jugendlicher kennengelernt habe, ist da nicht spürbar.

Ich bin seit 01.12.2018 im HLSZ Rif. Dank dem österreichischen Bundesheer kann ich mich zu 100% auf den Sport konzentrieren, dafür bin ich mehr als dankbar. Ich kann mein Leben völlig meiner Überzeugung als Leistungssportler widmen und endlich so trainieren und für den Sport arbeiten, wie es sein muss. Ich werde mit Freude und mit voller Motivation weiterhin meinen Sport ausüben, werde mich in den nächsten Jahren natürlich auf den Weltcup, auf  Europa- und Weltmeisterschaften konzentrieren und freue mich aus ganzem Herzen darauf.

Dennoch hoffe ich, dass der Sport dorthin zurückkehrt, wofür er steht: Leidenschaft, Freiheit und Natur. Damit ich meiner Leidenschaft künftig besser – bei technischeren und längeren Individual Rennen im Freigelände – nachgehen kann.

Die mögliche Lösung:

Meiner Meinung nach wäre es recht einfach, alle aktuellen Strömungen zu einem Gesamtbild zu vereinen. Den Weltcup-Modus mit Individual, Vertical und Sprint finde ich prinzipiell nicht schlecht und den sollte man nicht aufgeben. Die Individualstrecken sollten bestenfalls wieder technischer werden und es sollte auch gute Alternativstrecken geben, falls die Originalstrecke nicht möglich ist. Der Weltcup sollte aber schon im November/Dezember anfangen, mit Anfang/Mitte März abgeschlossen sein und die 1. Saisonhälfte bilden. Nach einem bestimmten Datum startet die 2. Saisonhälfte und  die Athleten haben die Möglichkeit im Grande Course oder anderen alpinen Rennen zu starten. Die attraktiven Klassiker sind ohnehin auf den Frühling ausgerichtet. Eine lange Saison für die Sportler, ja; aber so hängt alles zusammen, was zusammengehört. Die ISMF und der Grande Course sollten wieder zusammenarbeiten und an einem Strang ziehen, eine gemeinsame Punktewertung wäre wünschenswert!

Text: Jakob Herrmann

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